„Es gibt Untaten, über die kein Gras wächst.“ –
Mit diesem Zitat begann Prof. Dr. Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität Berlin, seine Ansprache an die Trauergemeinde, die am 23. März 2023 auf dem Waldfriedhof Dahlem zusammengekommen war.
Der Anlass der Feier: Seit 2015 waren bei Bauarbeiten immer wieder Knochenfragmente auf dem Campus der Universität gefunden worden. Die Toten konnten namentlich nicht identifiziert werden. Da sie aber auf dem Gelände des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik vergraben wurden, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie mit menschenverachtender und rassistischer Forschung in Verbindung stehen.
Ab 1933 hatte sich das Institut in den Dienst des nationalsozialistischen Regimes gestellt, um vermeintliche Legitimationen für dessen Verfolgungs- und Vernichtungspolitik im Namen der Wissenschaft zu liefern.
Über diese Verbrechen „darf kein Gras wachsen“, so Ziegler, und es folgten noch weitere bewegende Ansprachen von Daniel Botman, Zentralrat der Juden in Deutschland, Dotschy Reinhardt, Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, Prof. Dr. Ulman Lindenberger von der Max-Planck-Gesellschaft – die Nachfolgerin des Instituts, die diese Verantwortung erst spät erkannte, wie Lindenberger eingestand – sowie Dr. Christoph Rauhut vom Landesdenkmalamt Berlin.
Für die Menschen, die auf dem Campus der FU gefunden wurden, war keine Bestattung vorgesehen. Nun wurden sie , begleitet von vielen Teilnehmenden, in Gebeinekisten – ausgekleidet von Nils Sebastian Becker und Michael Kindt von Grieneisen Bestattungen – zu ihrer letzten Ruhestätte getragen. So wurden sie in Ansprachen und Beigaben gewürdigt, betrauert von Unbekannten, die durch ihr Schicksal bewegt waren.
Auf diese Weise wurden die Menschen sichtbar gemacht – ihre Geschichte weiter- oder vielleicht sogar zum ersten Mal erzählt.
Gelebte Erinnerungskultur, die uns alle in die Verantwortung nimmt.
Organisiert wurden die Trauerfeier und Beisetzung von Sabine Luckey von Grieneisen Bestattungen.
Bilder: Charlotte Wiedemann, Ahorn Gruppe / Michael Fahrig, David Ausserhofer, Freie Universität Berlin